„Man muss nur den Verstand benutzen“. Cleveres und energieeffizientes Bauen für jeden

Passivhaustagung 2017 in Wien: Cleveres und energieeffizientes Bauen für jeden

 

Darmstadt/Wien. Gewohnheiten zu ändern erfordert Umdenken und ist nicht ganz bequem. Das erlebten die Teilnehmer im Eröffnungsplenum der Internationalen Passivhauskonferenz in Wien bei einem kleinen Selbsttest. Gewohnheiten zu ändern und Ressourcen fair aufzuteilen sei jedoch notwendig, um den Klimawandel auf ein erträgliches Maß zu reduzieren, erläuterte die renommierte Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb. „Wir müssen mit diesem einen Planeten auskommen“, erklärte auch der Leiter des Passivhaus Instituts, Prof. Wolfgang Feist. Über 1000 Teilnehmer aus über 50 Nationen waren nach Wien gekommen, um sich zum energieeffizienten Bauen auszutauschen und mehr über internationale Passivhaus-Projekte zu erfahren.

 

Helga Kromp-Kolb, Leiterin des Zentrums für Globalen Wandel und Nachhaltigkeit an der Wiener Universität für Bodenkultur, forderte die Zuhörer bei dem Selbsttest zunächst dazu auf, ihre Arme gewohnheitsmäßig zu verschränken. Anschließend sollten sie dann ganz bewusst den jeweils anderen Arm nach oben verschränken. Automatisch lassen sich Gewohnheiten nicht überwinden, Umdenken sei gefragt, resümierte die Meteorologin Kromp-Kolb auch mit Blick auf den Bausektor.

 

„Die Technologie für energieeffizientes Bauen ist da. Jetzt geht es darum, das auch wirklich umzusetzen und clever zu bauen!“, erklärte Günter Liebel, Sektionschef im Österreichischen Umweltministerium. Der Dialog zum energieeffizienten Bauen und Sanieren müsse daher auch mit denen geführt werden, die mit dem Verkauf von fossilen Brennstoffen bisher sehr gute Geschäfte gemacht hätten, so Liebel. Jeder Passivhaus-Bewohner sei ein Kunde weniger für diese Unternehmen.

 

„System durchbrechen“

Scott Foster, Leiter des Bereichs „Nachhaltige Energie“ in der Europakommission der Vereinten Nationen zielte in seinem Vortrag ebenfalls auf Gewohnheiten ab. „Wir müssen das System durchbrechen, das darauf ausgelegt ist, immer mehr Energie zu produzieren und zu liefern“. Das müsse auch den Verbrauchern klar werden. Sie kümmerten sich im Allgemeinen eher wenig darum, woher die Energie stammt, die sie verbrauchen.

 

Wien ist engagiert

Mit Wien hatten sich die Organisatoren der Tagung – das Passivhaus Institut mit seinen beiden Standorten in Darmstadt und Innsbruck sowie das Netzwerk Passivhaus Austria – eine Stadt ausgesucht, die als Vorreiter für energieeffizientes Bauen gilt. Mit den Passivhaus-Hochhäusern, Hotels, groß- volumigen Geschossbauten und Studentenwohnheimen gibt es in Wien und dem angrenzenden Bundesland Niederösterreich viele engagierte Projekte. Sie alle belegen, dass energieeffizientes Bauen und Sanieren im Passivhaus-Standard auch für unterschiedlichste Nutzergruppen möglich ist.

 

Energieeffizienz für breite Bevölkerung

Die Wiener Politiker machten bei der Passivhaustagung jedoch auch deutlich, dass es speziell in den Städten weiterhin einen großen Bedarf an energieeffizientem Wohnraum für die breite Bevölkerung gebe. Der Leiter des Passivhaus Instituts, Prof. Wolfgang Feist betonte, das Passivhaus-Konzept sei eine einfache und kostengünstige Technologie, die die Bedürfnisse der Nutzer nach Wohngesundheit und Behaglichkeit erfülle. 


Wohngesundheit und Nachhaltigkeit

Gleichzeitig werden unter anderem durch den niedrigen Bedarf an Heizwärme auch die Kriterien der Nachhaltigkeit erfüllt. Passivhäuser könnten zudem an jedem Ort auf der Welt gebaut und an individuelle Ansprüche angepasst werden. „Der Passivhaus-Standard ist für jeden leistbar und machbar. Man muss nur ein wenig den Verstand benutzen“, so Prof. Wolfgang Feist.


„Man muss nur den Verstand benutzen“

Ein weiterer Schwerpunkt der Tagung waren die über 100 Vorträge der Referenten aus über 50 Ländern. Sie zeigen, welche spannenden Projekte im energieeffizienten Passivhaus-Standard weltweit realisiert werden. Dazu zählen auch die Präsentationen über das nachhaltige Bauprojekt „5-Euro-Wohnbau“ von der Neuen Heimat Tirol, ein Vortrag über den Tochoji Passivhaus-Tempel in Tokio sowie das mobile Passivhaus mit 40 Quadratmetern Wohnfläche aus dem 3D-Drucker. Gleichzeitig behandelten Experten wichtige Fragestellungen zum energieeffizienten Bauen. Themen in den 16 Arbeitsgruppen waren unter anderem die Verbindung von Passivhäusern mit erneuerbarer Energie, Hochhäuser im Passivhaus-Standard wie Cornell Tech in New York und Bolueta im spanischen Bilbao, Sanierungsprojekte im Passivhaus-Standard sowie viele weitere internationale Projekte.


Viele neue Passivhaus-Komponenten

Auf der gleichzeitig stattfindenden Passivhaus-Fachausstellung zeigten im Messe Wien Congress Center rund 100 Aussteller ihre Produkte zum energieeffizienten Bauen, darunter Fenster, Dachbodentreppen, Materialien für die Dämmung, Katzen-Klappen und natürlich Lüftungsgeräte mit Wärmerückgewinnung. Immer mehr Hersteller lassen ihre Produkte als Passivhaus-Komponenten zertifizieren. Über 870 Produkte sind aktuell in der Komponentendatenbank des Passivhaus Instituts verzeichnet. Gerade im vergangenen Jahr seien viele neue Produkte zertifiziert worden, erläuterte Prof. Wolfgang Feist. 


Zeit ist reif für cleveres Bauen

Den Organisatoren der Tagung ist es zudem wichtig, dass potentielle Bauherren Erfahrungen aus erster Hand erhalten. Das Bauherren-Forum auf der Fachausstellung bot auch in diesem Jahr wieder zahlreichen Interessenten die Möglichkeit, sich über energieeffizientes Bauen und Sanieren zu informieren.


Exkursionen zu über 40 Objekten

Die Teilnehmer der insgesamt acht Exkursionen machten sich im Anschluss an die 21. Internationale Passivhaustagung selbst ein Bild von unterschiedlichen Passivhaus-Projekten. Beim Besuch der über 40 Objekte mit hohem architektonischem Anspruch in Wien und Niederösterreich wurde auch der Tagungsschwerpunkt „Passivhaus für alle“ besonders deutlich. Bei zwei Exkursionen waren die Teilnehmer umweltschonend mit U-Bahn und per Fahrrad unterwegs. Im Vorfeld der Tagung fanden bereits zahlreiche Workshops sowie der Kompaktkurs „Passivhaus – ein Beitrag zum Klimaschutz“ stat“.


Wiedersehen 2018 in München

Die erste Internationale Passivhaustagung fand 1996 in Darmstadt statt. Dort baute der Physiker Wolfgang Feist 1991 das weltweit erste Passivhaus. Seitdem lädt das Passivhaus Institut jedes Jahr in eine andere Stadt ein. Zum 25. Geburtstag des Darmstädter Pilotprojektes im vergangenen Jahr kehrte die Tagung an ihren Ursprungsort zurück. Im nächsten Jahr finden die 22. Internationale Passivhaustagung sowie die angeschlossene Fachausstellung am 09. und 10. März 2018 in München statt.

REFURBISHMENT
2017-05-10